Ernährung



Vorab


Über "die" Ernährung im Hochmittelalter lässt sich nur wenig hieb- und stichfest aussagen. Die wenigen Schriftzeugnisse, die uns erhalten sind, stammen von fürstlichen Festen an großen Höfen und sagen uns fast nichts über die Ernährung der Bauern und Handwerker. Die bis zur Dekadenz reichenden Orgien der Höchsten mit der Ernährungsbasis der Unteren zu vergleichen ist ähnlich, wie von teuren Schwertern auf schlichte Messer zu schließen: eigentlich tun beide das selbe, nur die einen haben mehr Geld und mehr Kunstfertigkeit zur Verfügung. Im Folgenden versuchen wir ein wages Konstrukt der essentiellen Ernährungsfrage am Beispiel eines Ministerialenhofes zu erbauen. Der Bauer wird sich weniger um Schwertformen gesorgt haben, als um das täglich Brot für seine Familie.


Ökologische Vorraussetzungen

Mit was sich der Bauernteller an der Nordsee füllte hat wenig mit dem am Bodensee oder im Harz zu tun- je nach Region sind die Unterschiede erheblich. Mit unserer Darstellung des Remstals haben wir einige entscheidende Vorteile: mildes Landklima, sanfte Höhen, Nähe zu großen Flüssen und einen sehr fruchtbaren Boden. Im Gegensatz zum eher sumpfigen Norden wachsen bei uns auch anspruchsvollere Pflanzen und der Weinanbau spielt eine große Rolle, dafür büßen wir beim großflächigen Fischfang und dem Bierbrauen etwas ein. Ein entscheidender Vorteil ist die Nähe zu großen Reichsstädten (z.B. Esslingen, Waiblingen), über die sich auch seltenere Produkte besser ersteigern lassen und die gleichzeitig einen guten Absatzmarkt für selbsterzeugte Produkte bieten. Auf das Thema des Handels sei an diesem Punkt nicht weiter eingegangen, nur noch der Hinweis, dass die relative Nähe zu Salzstätten (z.B. Schwäbisch Hall) von enormer Bedeutung ist.
Bauern mussten sich intensiv um den Ackerboden, die Wildbäume und den Weinanbau kümmern. Natürlich dürfen auch die Tiere nicht fehlen; Kühe und Hühner versorgen den Hof mit Milch und Ei, Schweine bieten eine wertvolle Fleischquelle.
Der Unterschied zwischen dem ländlichen Hof und der Stadt könnte an diesem Punkt nicht größer sein: Der Hof lebt ganzjährig von der Hand in den Mund und kann sich gut anpassen, die Stadt ist von den Erträgen der Hälfe abhängig und produziert kaum selbst.



Was die Bauernschüssel füllt


Ganz allgemein: zuwenig! Der Mensch des Mittelalters kämpft jeden Tag hart um sein Leben- mit Werkzeug, Ackergeräten und seiner Arbeitskraft. Nicht jeden Tag wiederum hat er genug Brot oder Brei um seinen Tagesbedarf zu decken. Das Hochmittelalter ist gezeichnet von schweren Hungersnöten und Versorgungsengpässen, trotz des milderen Klimas als in den Jahrzehnten davor und danach.
Mit Brot und Brei ist das meiste eigentlich gesagt - die Grundzufuhr von Kalorien in möglichst effektiver Art und Weise. Zu den wichtigsten Getreidesorten zählen Gerste, Roggen und Hafer, für Wohlhabendere auch der Weizen. Grob zermahlen und mit Wasser oder etwas Milch weich gekocht bildet das Getreidemuß das eigentlich Grundnahrungsmittel. Je nach Vorräten wurde etwas "zugemuost", das Gemüse. Hier sind besonders Kohl, Zwiebeln oder Karotten in zerkochter Form zu erwähnen. Sehr oft angebaut wurden auch Bohnengewächse, deren hoher Eiweißgehalt die Grundversorgung des Körpers mit diesen gewährleistet. Die zwingende Bedingung für das Brot ist das Backen, weshalb für die Herstellung ein größerer Ofen und entsprechend viel Holz notwendig sind. Das mit Sauerteig versetzte Mehl, meist aus Roggen, wurde sehr hart gebacken, was notwendig für die lange Haltbarkeit des Brotes ist.

oben: Brotmaße 1270 (l.), 1317 (r.) und von 1320 (o.) am Turmpfeiler des Freiburger Münsters (Foto fb).

Es lässt sich archäologisch kaum nachweisen, wie die Ernteerträge aussahen, aber die Forschung geht zur Zeit davon aus, dass auf ein gesähtes Korn zwei Körner Ertrag kamen. Eines davon zum Verzehr, ein anderes als Aussaat für das nächste Jahr.
Am Selbstversorgerhof ergänzen Eier den Speiseplan, ebenso verschiedene Sorten Käse, je nach Laune des Herren und den Gegebenheiten des Hofes gab es auch Fisch aus den Gewässern des Landes.
Wenn im Herbst geschlachtet wurde, kam das wertvolle Fleisch auf den Tisch. Verwendet wurden fast alle Teile des Tieres, neben dem Filet also auch die Innereien und Knochen, aus denen man Brühen kochen konnte. Die Menge des Fleischverbrauches ist sehr unterschiedlich, im Sommer kam eher ein altes Huhn in den Kessel als eine Kuh, die noch gute Milch liefert. Dafür kann man im Winter häufiger Schwein finden, da man diese nicht mit durch den Winter füttern musste und nicht für andere Lebensmittel brauchte.

oben: Der Ei- und Fleischlieferant im Frühsommer: Das Huhn (Foto fb).

Den Sommer versüßten im wörtlichen Sinne Obst und Früchte, oft Äpfel, Birnen und Kirschen, die recht anspruchslos sind; in den südlichen Gebieten findet sich noch eine größere Anzahl an Pfirsichen und den heute kaum noch bekannten Maulbeeren, die im ganzen Mittelalter sehr geschützt waren. Sicherlich auch roh verzehrt, wurden die Früchte verkocht oder getrocknet, gerne auch gepresst und zu Most gemacht.
Unbekannt sind jedoch die Milchderivate Joghurt und Quark, dafür ist die Dickmilch als Vorstufe des Käses beliebt. Butter wiederum findet sich seltener, da hohe Mengen an Milch dafür aufgewendet werden müssen, ebenso Salz zur längerfristigen Lagerung. Ebenso selten ist das Öl, welches oft aus Leinen oder Mohn gepresst wurde und nur geringe Erträge brachte.

oben: Milch, ganzjährig verfügbar ein wichtiges Nahrungemittel.


Zum Nachspülen

Der Autor möchte an dieser Stelle seine Liebe zur Ministerialendarstellung einfach formulieren: Man konnte das Wasser trinken! Das Grundproblem jeder Stadt, Wasserversorgung und Hygiene, ist nicht vorhanden. Das Wasser aus Quellen, Brunnen, Zisternen, Flüssen oder Bächen konnte am Hof direkt verwendet werden. Trotzdem wurde Wasser selten pur getrunken, meistens wurde es mit dem Saft oder Most der Früchte vermischt.
Sehr wichtig ist auch der Wein, der in großen Mengen angebaut wurde. Im Alkoholgehalt deutlich niedriger und im Geschmack sicher trockener als heute ist die "Schorle" das Getränk, das alle Stände und Gesellschaftsschichten miteinander verbindet.
Auf dem Land eher seltener zu finden ist das Bier, da große Mengen an Hopfen und Gerste, sowie großflächige Produktionsstätten notwendig sind. Wenn das Korn kaum zum Leben reicht wird man es nicht noch vergoren haben. Ebenso ist "Bier" eigentlich als Synonym von "vergorenem Gränzeug" zu lesen, da durchaus nicht nur Korn und Hopfen, sondern teils auch ungewöhnliche Kräuter und Gräser beim Brauen Verwendung finden.


Konservierung und Lagerung

Dieses Thema ist der Schlussstein im Thema Ernährung. Lebensmittel auch dauerhaft haltbar zu machen ist eine Kunst, die im Mittelalter lebenswichtig ist. Es ist sinnvoller, Korn einzulagern, da die Hülle das Korn schätzt, während Mehl schneller feucht und schlecht wird. Obst muss verkocht oder getrocknet werden, Fleisch gut geräuchert oder teuer gesalzen. Kohl wird, gesalzen und verschlossen, als Kraut einer der wichtigsten Wintervorräte. Dies führt uns unweigerlich zu einem sehr wichtigen Thema:


Salz

Ob aus dem Berg geschlagen, aus Solen getrocknet oder aus dem Meer gezogen- Salz in jeder Form ist für den Menschen überlebenswichtig. Wenn wir sagen, dass das Salz für uns "wertvoll" war, so meinen wir dies nicht nur im Sinne des Geldes, sondern besonders im essentiellen Wert für den Körper. Der Mensch braucht Salz zum Überleben und verwendet dies nicht nur aus Geschmacksgründen in der Küche. Um den Salzbedarf zu decken reicht der Anteil in Korn und Brot nicht aus, es wird "richtiges" Salz benötigt. Der Ministerialenhof im Remstal genießt die Nähe zu den großen Salzstätten Schwabens und liegt dafür sehr prädestiniert. Die Nachfrage nach Salz konnte ausreichend und relativ günstig gedeckt werden. Dies garantiert im Besonderen die Konservierung von Fleisch und Kraut für den Winter.


Diätik

Sobald der Mensch genug von etwas besitzt, um nicht mehr nur über die reine Verwendung, sondern auch über den Sinn dahinter nachzudenken, entstehen wunderbare Konstrukte. Eines davon ist die aus der Antike entnommene und weiterentwickelte Diätik, die Lehre über die Wirkungsweise und richtige Dosierung der Lebensmittel. Diese ist sehr eng verknüpft mit der Viersäftelehre des Hypocrates und basiert darauf, dass jede Veränderung vom Normalzustand des Mensches auf einem Überschuss oder Mangel eines "Saftes" zurückzuführen sei. Der Koch ist dafür zuständig, dieses Ungleichgewicht durch eine angepasste Ernährung auszugleichen.


Gewürze und Kräuter

Eine wichtige Rolle in der Küche der höheren Schichten spielen die aus ganz Europa und Asien importierten Gewürze, denen alle besondere Eigenschaften der Diätik zugesprochen wurden. Verschiedene Pfeffersorten, Muskatnuss - und deren Blüte, Kardamom und Anis, finden ebenso Verwendung wie Galgant, Ingwer und Zimt. Während die hohe Küche auf solche Luxusgegenstände zurückgriff, benutzt der schlichte Hof heimische Kräuter wie Fenchel, Dill, Thymian, Melisse und Kerbel, Salbei und Petersilie zur Verfeinerung der Speisen. Zucker war ebenso sehr teuer und musste über Venedig aus Kleinasien importiert werden. Seine Verwendung im Ministerialenhof wird eine äußerste Seltenheit gewesen sein.
 

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