Mobiliar
(Aus rechtlichen Gründen zeigen wir KEINE Bilder aus Museen und Handschriften ohne Genehmigung.)
Zur Einführung
Die Menschen im Hoch- und Spätmittelalter kannten im
Wesentlichen fünf Arten von Möbeln: Truhen/Kisten, Schränke, Betten,
Sitzgelegenheiten und Tische. Alle diese Möbel waren spätestens seit der
Spätantike bekannt und fanden im Hochmittelalter letztlich deren Ausläufer.
Unser heutiges Bild hochmittelalterlicher Möbel beschränkt sich auf wenige
erhaltene Originale seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts sowie
deren Abbilder in Buch- und Wandmalereien. Damit stammen jedoch alle
Informationen aus kirchlicher Überlieferung, denn nur dort scheint man
veraltete Möbel aus einem gewissen Traditionsbewusstsein heraus behalten zu
haben. Auch die bildlichen Kunstwerke der Spätromanik zeigen noch fast
ausschließlich religiöse Motive. Und trotzdem kann anhand dessen etwas über die
Möbel in Burgen und Bauernhäusern ausgesagt werden, da auch die Originale zum
Teil als Stiftungen oder Aussteuern aus weltlichen Haushalten in die Klöster
gelangten und auch die Fertigungsmetoden die gleichen gewesen sein werden. Im
Allgemeinen muss davon ausgegangen werden, dass Möbel noch bis weit ins
14. Jahrhundert hinein von Zimmerleuten mit ihren entsprechenden Techniken
und Werkzeugen hergestellt wurden. Das schließt nicht aus, dass es unter ihnen
auch Spezialisten gab. Erst dann spaltete sich allmählich der Möbelsektor als
Schreiner- oder Tischlerhandwerk ab und veränderte damit nachhaltig die Bauart
der Möbel. Eine Ausnahme bildeten der Großteil der Sitzmöbel (und zeitweise die
Betten), die zumeist von Drechslern hergestellt wurden.
Truhen und Kisten
Truhen und Kisten stellten das Aufbewahrungsmöbel des
Mittelalters schlechthin dar. Als Summe verschiedener Überlieferungen wurden
sie zur Lagerung von Getreide und Mehl, von Werkzeugen und Gewerbeprodukten,
von Geld und Handelswaren aber auch für Dokumente genutzt. Bis in die Spätgotik
hinein gab es im Wesentlichen drei Konstruktionsprinzipien für Truhen: 1. die
aus einem ausgehöhlten Stamm bestehende und häufig mit Eisenbändern beschlagene
Baumtruhe, 2. die aus vier senkrechten Eckstollen mit dazwischengeschobenen
Wandbrettern bestehende Frontstollentruhen und 3. die aus fünf Brettern und
Deckel gezimmerte Seitenstollentruhe, deren senkrechte seitliche Bretter unten
als Auflage überstanden. In den beiden letzten Fällen wurde versucht, die
Kisten durch Füße vor der Feuchte oder dem Ungeziefer des Bodens zu schützen.
Während die beiden ersten Typen gänzlich ohne Metall auskommen konnten, da der
Deckel mit waagerechten Holzzapfen drehbar gelagert war, verfügen die
erhaltenen Seitenstollentruhen alle über eiserne Scharniere, wie sie auch
archäologisch gefunden werden können. Diese Scharniere sind den heutigen noch
insofern fremd, als dass die eine Seite durch ein rechteckiges Loch des
Gegenstückes geführt und dann umgeschlagen wurde. Als Zier dienten neben
Bemalung vor allem Kerbschnitzerei und flach nachgeahmte Architekturelemente.
Ein Mann schüttet Getreide aus einem Sack in eine Frontstollentruhe, um es vor Schädlingen zu schützen. St. Madeleine de Vézelay (FR), Tympanon des inneren, mittleren Westportals, 2. V. 12. Jh. (Foto: F.B.).
Verzierte Frontstollentruhe aus Nussbaumholz, St. Valère in Sion (CH), um 1225-1250 (aus: Müller-Christensen 1950, 12 Abb. 4). Regale und Schränke
Anders als heute dienten die Schränke des Mittelalters vor
allem dazu, Objekte wie Bücher oder Gefäße zu verwahren. Kleider, so sie nicht
in Truhen verstaut waren, hängte man an Holznägel oder warf sie über
waagerechte Stangen, wie sie häufiger über Kachelöfen zu finden waren. Regale
mit Gefäßen sind seit dem 12. Jahrhundert selten einmal in der Kunst
widergegeben (Chronik des Robert de Torigni. – Chartres (FR). – Wiener Bible
moralisée, ÖNB Cod. Vind. 2554). Oft wurden ein oder mehrere Bögen
vorgeblendet. Nicht zu vergessen sind auch sämtliche Wandnischen, die durch
Bretter unterteilt und/oder durch eine Tür verschlossen waren. Die ältesten
erhaltenen Schränke neben dem Reliquienschrein in der Kapelle Sancta Sanctorum
im Lateran (um 800) stammen noch aus spätromanischer bis frühgotischer Zeit
(Kloster Pforta, 1157(d). – St. Etienne in Aubazine (FR), um 1176. – Domschatz
Halberstadt, um 1240. – Kathedrale von Bayeux (FR), um 1240). Dabei handelt es
sich teilweise um Giebelschränke (vgl. Abb. 2),
teils um Schränke mit geradem Abschluss. Ihnen ist noch anzusehen, dass ihre
Vorgänger offene, eher regalartige Möbel waren, die dann nur durch Türen
verschlossen wurden.
Betten
Obwohl Betten für lange Zeit wohl die alltäglichsten und
wichtigsten Möbelstücke waren, haben sich vor dem ausgehenden 15. Jahrhundert keine
Originale obertägig überliefert. Da Schlafkammern noch bis in die Neuzeit
keineswegs intime Räume waren sondern durchaus auch Aufenthaltsraum für Gäste
waren, waren Betten möglichst aufwendig gestaltet und der jeweiligen Mode
unterworfen. Doch nicht nur die Mode änderte sich, auch die Konstruktion
scheint sich entwickelt zu haben, wenn man aus den wenigen Hinweisen eine Linie
ziehen möchte: Während die Kastenbetten aus dem Knabengrab unter dem Kölner Dom
(um 535) und aus den Schiffsgräbern in Oseberg und Gokstad (9. Jh.) über Lattenroste verfügen, zeigen die Buch- und
Wandmalereien des 14. und 15. Jahrhunderts eindeutig gespannte Seile als
Unterlage der Kastenbetten. Auch um 1200 gibt es Bildzeugnisse, die rautenförmig
eingespannte Seile oder Riemen erkennen lassen, jedoch handelt es sich bei den
Betten meist um Rundstollenkonstruktionen. Für Details zum textilen Aufbau sind
neben den Bildquellen vor allem literarische Texte sehr hilfreich. Auf diese spanbetten wurde ein Strohsack gelegt.
Um das Stroh abzupolstern kam darauf eine Steppdecke zu liegen und darauf
wiederum das waschbare Bettlaken. Unter Kopf und Oberkörper schob man ein
großes, keilförmiges Kissen, den Pfuhl, sowie kleinere Federkissen. Als Zudecke
dienten gewobene Decken oder Felle. Vornehme Betten waren außerdem mit einem
Baldachin und Vorhängen versehen. Seit dem Hochmittelalter wurde zunehmend die
moralische Stimme laut, Kleinkinder nicht im elterlichen Bett schlafen zu
lassen, da diese dort häufig zwischen Kissen und Eltern erstickten. Als
Konsequenz daraus traten erste Wiegen und Kinderbetten auf, die seit dem
12. Jahrhundert gelegentlich auf Buchmalereien und sogar archäologisch
(Schleswig) zu finden sind.
Die Krankenfürsorge. Dieses Detail von der Ende des 12. Jahrhundertzs entstandenen Galluspforte des Basler Münsters zeigt deutlich die Bänder, die als Liegefläche in den Bettrahmen gespannt sind (Foto: F.B.).
Tische
Rein funktional sollte man vielleicht zwischen Esstischen
und Arbeitstischen unterscheiden. Esstische waren, so scheint es, über weite
Teile des Mittelalters nichts weiter als Böcke mit darauf gelegten
Brettern/Tischplatten. Dies hatte sowohl im beengten Bauernhaus als auch im
multifunktionalen Saalbau den Vorteil, dass die Tafel nach dem Essen aufgehoben
werden konnte um Platz für andere Tätigkeiten zu schaffen. Bei großen Banketten
wurde zumeist nur auf einer Tischseite gesessen, sodass on der
gegenüberliegenden Seite die Bediensteten das Essen auf- und abtragen konnten.
Auch Tische in gewerblicher Nutzung konnten auf Böcken stehen um auch in der
Werkstatt, im Schlachthaus oder in der Küche flexibel zu sein. Darüber hinaus
gibt es aber tatsächlich auch genügend Bilder von Tischen, bei denen Die Füße
wie bei einer Bank durch die Tischplatte gesteckt sind.
Sitzgelegenheiten
Sitzen während andere stehen, das war im Mittelalter meist
ein Ausdruck von Macht. Dementsprechend sind in der hochmittelalterlichen Kunst
auch zumeist hohe Würdenträger auf thronartigen Sitzen dargestellt. Neben
massiven Steinthronen sind hier vor allem die aus germanischer Tradition
übernommenen Rundstollenstühle sowie aus der Antike adaptierte Faltstühle zu
sehen. Gerade auch letztere waren während des Hochmittelalters ein Privileg und
somit kein alltäglicher Sitzplatz. Dieser Tatsache ist es zu verdanken, dass
überhaupt Originale überdauert haben, so die Faldistorien aus dem Kloster Nonnberg
in Salzburg (vor 1242) und aus dem Kloster Admont (13. Jh.). Erst im ausgehenden
Mittelalter kommen Scherenstühle in anderer Art erneut in Mode und sind dann
auch bei niedrigeren Gesellschaftsschichten verbreitet. Auch Rundstollenstühle haben
sich realiter erhalten, jedoch stammen die meisten Exemplare des 12./13.
Jahrhunderts aus schwedischen Kirchen (viele heute in Stockholm, Statens
Historiska Museet). In Deutschland hat sich ein solcher Stuhl aus dem ersten
Viertel des 13. Jahrhundert im Kloster Isenhagen erhalten, weil der
ursprünglich Herzogin Agnes zugeschriebene Stuhl später als Chorpult
umgearbeitet worden war. Die heute noch im Kloster Alpirsbach erhaltene Bank
dieser Machart wurde zwar lange für romanisch gehalten, stammt
dendrochronologischen Untersuchungen zufolge jedoch frühestens aus dem Jahr
1342. Die Sitzgelegenheiten der übrigen Gesellschaft zu rekonstruieren, ist
nicht einfach, es wird aber wohl auf schlichte Bänke und Hocker mit vier
eingesteckten Füßen hinauslaufen, wie sie gelegentlich auf Buchmalereien zu
sehen sind.
Faltstuhl aus dem Kloster Admont (AT), 13. Jh., heute im Museum für angewandte Kunst in Wien (aus: Müller-Christensen 1950, 14 Abb. 7).
Rundstollenstuhl aus der Kirche von Lärbro (SE), wohl 13. Jh. (Foto: F. B.).