Küche & Tafel

(Aus rechtlichen Gründen zeigen wir KEINE Bilder aus Museen und Handschriften ohne ausdrückliche Genehmigung.)




Eigentlich wären Bilder aus Handschriften und archäolgische Funde das Mittel der Wahl, um die hiesigen Zeilen nachvollziehbar zu bebildern und zu zeigen, dass eine Rekonstruktion der Sachkultur auch um 1200 präzise möglich ist. Da hier aber die Urheberrechte im Wege stehen, müssen zeitlich nicht ganz passende Bilder herangezogen werden. Das frühe 13. Jahrhundert ist an einer spannenden Schlüsselstelle. Bis ins 12. Jahrhundert hinein zeigen die keramikarten in Südwestdeutschland fast ausschlißlich Töpfe, Kannen und ganz vereinzelt Schüsseln. Viele weitere praktische Formen treten dann erst im Laufe des 13. Jahrhunderts mit der sogenannten jüngeren gelben Drehscheibenware auf. Der Großteil des Geschirrs war folglich aus Holz und hat sich erst in den spätmittelalterlichen Latrinen erhalten. Bebilderte Handschriften aus südwestdeutschen Werkstädten um 1200 erlauben es jedoch, einige der jüngeren Formen schon für das frühe 13. Jahrhundert zu belegen.


Tischgeschirr

Abb. 2: Relief mit Darstellung eines Mahls. Andlau, Mitte 12. Jahrhundert (Foto: fb).

Die meisten Bilder einer Essszene wie des letzten Abendmahls, zeigen auf den Tischen vor allem Schüsseln, Schalen und Messer. Messer haben oft eine rechteckige Klinge, wenngleich diese Form unter den archäologischen Funden sehr selten ist und sich in der Praxis als eher ungeschick erwies. Messer im Hochmittelalter haben noch eine durchgehende Griffangel, die durch den hölzernen Griff gesteckt wurde. Aufgenietete Griffplatten sind erst im Spätmittelalter üblich. Gabeln liegen zwar vereinzelt als Fund vor, dienten aber nicht dazu, das Essen in den Mund zu befördern, sondern wohl eher um heiße Speißen beim Schneiden zu fixieren. Die zeitgenössischen Abbildungen von Mahlzeiten zeigen, dass in der Regel weniger Schüsseln als Personen dargestellt sind. Man wird also tatsächlich zu mehreren aus einer Schüssel gegessen haben. Diese Teller waren Schüsseln mit Rand, wie sie etwa ab dem späten 13. Jahrhundert aus der Latrine des Augustinereremitenklosters in Freiburg vorliegen.

Abb. 3: Die Heilige Anna bekommt nach der Geburt Marias etwas zu Essen. Teller und Löffel erinnern an die Funde aus der Latrine des Augustinereremitenklosters Freiburg. Buchmalerei in einem Oberrheinischen Festevangeliar um 1200 (Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, St. Peter perg. 7, fol. 10v).**

Auch Brot konnte als Unterlage dienen, was aber in den oberen Schichten nicht äblich gewesen zu sein scheint, da sich der edle Eneas dafär schämt:

"von dem brôte sie sniden/ schuzeln vile reine,/ grôze unde kleine,/ do si sich gemacheten dar zô;/ dar ûf legeten sie dô/ ir fleisch unde ir vische./[...] dô sie daz fleisch gâzen,/ die schuzzeln âzen sie dar nâ." (Heinrich von Veldeke: Eneasroman, v. 3768-3772 und 3778-3779)

Sehr häufig finden sich auf Abbildungen von Mahlzeiten sogenannte Doppelköpfe in Kugel- oder Achterform (vgl. Abb. 2). Die meisten waren vermutlich aus Holz, seltener auch aus Buntmetall wie die Exemplare aus Limogues.

Ein Teil der kleinen, hohen Schüsseln könnten Trinkschalen sein. Das typsche Trinkgefäß war jedoch der Daubenbecher aus Holz. Becher aus Keramik liegen aus der Region Stuttgart für das ganz frühe 13. Jahrhundert so gut wie nicht vor (etwa von Burg Weinsberg bei Heilbronn). Auch Becher aus Glas oder Metall lassen sich archäologisch nicht nachweisen.

Abb. 4: Ein Mann schenkt aus einer Daubenkanne Wein in einen Daubenbecher. Andlau, Mitte 12. Jahrhundert (Foto: fb).

Abb. 5: Dauben, Boden und Bänder eines rekonstruierten Daubenbechers (Foto: fb).

Damit sind die abgebildeten Gegenstände im Wesentlichen abgehandelt, jedoch fehlen noch ganz wichtige Objekte. So findet man Löffel etwa nur ganz selten auf Bildquellen. Sie waren wohl noch fast immer aus Holz.

Außerdem fehlen in den Bildquellen die zahlreichen Schankgefäße, die einen Großteil der keramischen Funde ausmachen. Um 1200 kam im Raum Stuttgart die Doppelösenkanne allmählich außer Mode, die Doppelhenkelkanne herrschte vor und wurde zunehmend von der Bügelkanne verdrängt (Abb. 6). Kannen für den gehobenen Tisch bezogen die Haushalte der Region Stuttgart vom späten 12. bis ins frühe 15. Jahrhundert aus Buoch im Remstal. Kerzenständer oder ähnliches sind auf Bildquellen kaum zu finden. Neben den Keramikkannen waren auch gedrechselte oder geböttcherte Kannen weit verbreitet (s. Abb. 4 und 8).

Abb. 6: Die Typologie der Kannen im Raum Stuttgart über etwa 130 Jahre von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis um 1280 verglichen mit der Entwicklung des lokalen Autobauers über dieselbe Zeitspanne (1885-2016). Das Volumen nimmt zu, der Henkel wird keramisch, Bemalung und Deckel kommen hinzu. Außer ganz links sind es Reproduktionen nach Funden der Buocher Feinware (Foto: fb).

Abb. 7: Die Heilige Verena mit einer Doppelösenkanne in einer um 1162 im Kloster Zwiefalten entstandenen Handschrift (Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod.hist.fol.415 fol. 62v).*

Abb. 8: Daubenkanne des 15. Jahrhunderts im Historischen Museum der Stadt Regensburg (l.) und unsere Rekonstruktion (r.) (Foto: fb, mit freundlicher Genehmigung von Hr. Boos).


Küchenutensilien
Die einzige Wärme- und Lichtquelle in der Küche war das Herdfeuer. Mit Feuerstählen und Feuersteinen wurde ein Funken in Zunder geschlagen und dann durch Blasen zum Brennen gebracht. Zum weiteren Anfachen diente ein Handblasebalg. Mit Schürhaken und Kohlenzange wurde das Feuer gepflegt. Damit Nachts kein Schadfeuer ausbrach und die Glut dennoch nicht gelöscht werden müsste, wurden Gluthauben über das Feuer gestülpt. Die Feuerstelle war häufig noch auf dem Boden, seltener schon auf gemauerten Herden. Doch selbst im Lager wurde teilweise auf erhobenen Feuerstellen gekocht, wie im Teppich von Bayeux zu sehen.

Das übliche Kochgeschirr war der Kochtopf aus Keramik, wie sie aus archäologischen Ausgrabungen bekannt sind. Der Topf wird idealerweise voll und langsam der Glut genähert und dann in diese gestellt, um Hitzespannungen zu verhindern. Eine deutliche Vereinfachung beim Kochen, aber auch schon einen Wertgegenstand, stellt der Kessel aus Kupfer dar, wie er immer wieder auf Abbildungen zu sehen ist und aus manchen Ausgrabungen vorliegt. Da er aus einem Stück dünnem Kupferblech getrieben ist, leitet er sehr schnell die Wärme. Im Vergleich zum Keramiktopf ergibt sich eine Zeitersparnis von ca. 60%. Damit verbunden natürlich auch eine Energieersparnis. Außerdem ist er deutlich pflegeleichter als ein unlasierter Keramiktopf. Wenn der Kessel nicht auf einem eisernen Dreibein stand, hing er an einer verstellbaren Kette oder an einer Feuersäge, die noch heute in dem Sprichwort "einen Zahn zulegen" lebendig ist.

Abb. 9: Kupferkessel nach Fund von der Frohburg (CH), um 1200, auf einem Dreibein. Mit der um ein Drittel verkleinerten Rekonstruktion eines Blasebalsg aus einer Greifswalder Bronzegießerei des 13. Jahrhunderts wird das Feuer unter ihm entfacht. Im Hintergrund sind eine Siebkelle und eine Pfanne zu sehen (Foto: fb).

Neben den Kochgeräten lassen sich seit dem 13. Jahrhundert auch Pfannen nachweisen. Auch Grillspieße und Grillroste gehören das gesamt Mittelalter über zum gängigen Küchengeschirr, das sich häufig auf Abbildung (etwa auch als Symbol des Hl. Laurentius) oder als Eisenfunde nachweisen lassen.

Abb. 10: Eine Märtyrerin in einer Pfanne in einer um 1162 im Kloster Zwiefalten entstandenen Handschrift (Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod.hist.fol.415 fol. 63r).*

Als Kochgeräte lassen sich Koch- und Rührlöffel, Pfannenwender und Siebkellen im archäologischen Fundgut ausmachen.

Zur Vorbereitung des Kochens standen den Menschen um 1200 hölzerne Quirle zur Verfügung. Steinerne und bronzene Mörser lassen sich erst ab dem 13. Jahrhundert nachweisen, während Handmühlen schon seit dem Frühmittelalter zum häuslichen Inventar gehörten. Spezielle Küchenmesser lassen sich auf den hochmittelalterlichen Bildern und unter den zeitgenössischen Funden nicht erkennen. Erst ab etwa 1300 mehren sich spezielle Messer mit breiter Klinge. Eine Ausnahme bilden Hackmesser, wie sie auf Metzgerbildern zu sehen sind. Sie könnten auch in der Küche Anwendung gefunden haben.

Abb. 11: Rekonstruktion eines Hackmessers nach der Kreuzfahrerbibel (Foto: fb).

Im praktischen Gebrauch stellt sich leider oft heraus, dass viele praktische Dinge kaum überliefert sind. Die Frage, ob es im hohen Mittelalter schon Tichter gab und wie diese gefertigt wurden, konnten wir dank eines Fundes von der Burg Wilnsdorf (zerstört 1233) beantworten. Auch von der Schweizer Frohburg liegt ein mögliches Fragment des Röhrchens aus Bronze vor (13.-fr. 14. Jh.).


Abb. 12: Nachbau (groß und rechts oben) und Original (rechts mitte und unten des Kupfertrichters von Wilnsdorf, vor 1233 (Foto: fb. mit freundlicher Genehmigung von Fr. Nauck/Museum Wilnsdorf).

Mühlsteine von handbetriebenen Mühlen gehören seit dem Hochmittelalter zu den eher selteneren Funden in Süddeutschland. Ihre Zahl nahm seit dem 11. Jahrhundert bedingt durch das vermehrte Aufkommen von Wassermühlen und den damit einhergehenden Mühlbann stark ab. Ein hölzerner Rahmen aus Greifswald sowie einige Buchmalereien lassen erahnen, wie die gesamte Konstruktion ausgesehen haben könnte. Unser Nachbar orientiert sich an dem Fund des späten 13. Jahrhunderts aus Greifswald. Der schwere Eichenklotz verhindert übermäßige Eigenbewegung der Mühle, doch bleibt viel Mahlgut zwischen Liegestein und Rahmen liegen. Für feines Mehl braucht es 20 bis 30 Durchgänge. Die Handmühle funktioniert jedoch gut zum Schroten für den Brei. 
Abb. 13: Rekonstruktionsversuch der Handmühle aus Greifswald/Knopfstraße 12-13, 3. Drittel des 13. Jahrhundert. Wenngleich Mühlsteine aus Eifelbasalt kaum nach Südwestdeutschland gehandelt wurden, haben wir uns für einen solchen entschieden, da er erstens weicher ist als Zahnschmelz und zweitens eben zum Original aus Greifswald gehört (Foto: fb).


Literaturauswahl:


-Bauer, Walter: Grabungen und Funde in der Burg zu Wilnsdorf (Kreis Siegen), in: Bauer, Walter u.a. (Hrsg.): Beiträge zur archäologischen Burgenforschung und zur Keramik des Mittelalters in Westfalen, Teil 1, Bonn 1979, 153-178.

-Gross, Uwe: Mittelalterliche Keramik zwischen Neckarmündung und Schwäbischer Alb, Stuttgart 1991.

-Koch, Robert: Tischgeschirr aus Keramik im süddeutschen Raum (1150-1250), in: Steuer, Heiko (Hrsg): Zur Lebensweise in der Stadt um 1200, Köln 1986, 159-177.

-Krauskopf, Christof: Tric-Trac, Trense, Treichel. Untersuchungen zur Sachkultur des Adels im 13. und 14. Jahrhundert, Braubach 2005.

-Müller, Ulrich: Holzfunde aus Freiburg und Konstanz, Stuttgart 1996.

-Schmidt-Thomae, Peter: Hölzernes Tischgeschirr des 13. Jahrhunderts, in: Steuer, Heiko (Hrsg): Zur Lebensweise in der Stadt um 1200, Köln 1986, 129-158. .

-Schulz, Anne: Essen und Trinken im Mittelalter (1000-1300), Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 74, Berlin/Boston 2011.

-Vogel, Volker (Hg): Ausgrabungen in Schleswig, Berichte und Studien 17, Holzfunde aus dem mittelalterlichen Schleswig, Neumünster 2006.

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* Die Digitalen Sammlungen der Württembergischen Landesbibliothek sind unter Creativ Commons frei nutzbar.

** Die Digitalen Sammlungen der Badischen Landesbibliothek sind unter Creativ Commons frei nutzbar
 

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